Dienstag, 9. März 2010

noch ein Zeitungsartikel

Schuhe


Schuhe. Vierundsiebzig Stück. Siebenunddreißig Paare. Für Siebenunddreißig Kinder. Von sechs bis achtzehn Jahren. In den unterschiedlichsten Farben und Formen.
Dank einiger Spenden konnte ich zusammen mit Laura, meiner Weggefährtin, vor einer Woche mit den ersten zwölf Kindern losziehen, um Schuhe zu wählen. Doch wie das mit einer Horde von Kindern so ist, waren wir zu spät. Drei Minuten. Also standen wir vor verschlossener Tür. Die Südafrikaner sind also nicht immer unpünktlich, wie es ihnen oft vorgeworfen wird. Einen Tag später bin ich dann mit derselben Gruppe nochmal den selben Weg gelaufen. Diesmal pünktlich. Wir wurden in dem Schuhgeschäft herzlich willkommen geheißen und die Kinder fingen an, sich Schuhe auszuwählen. Dem südafrikanischen Winter angemessene Qualitätsschuhe. Manche Kinder musste ich von Sandalen abraten und manchen von Cowboy-Stiefeln. Nach etwa zehn Minuten endete alles in einem einzigen Chaos und der Verkäufer bot mir an, am nächsten Tag mit Schuhen zum ``Amazing Grace Children´s Home`` zu kommen, wenn ich ihm eine Liste mit den Größen der Kinder geben würde. Also haben wir die Kinder wieder zusammengepackt und mich mit ihnen auf den Rückweg gemacht.
Wie versprochen habe ich am nächsten Morgen die Liste in dem Schuhgeschäft vorbei gebracht und wie versprochen ist Jabu, der Schuhverkäufer, am selben Nachmittag noch mit Schuhen vorbei gekommen. Natürlich sind die Kinder wählerisch. Sie haben nicht jeden Schuh genommen. Aber das fand ich auch richtig. Ich wollte den Kindern Schuhe kaufen, die die Füße im Winter zum Einen warm halten, die die Kinder zum Andern aber auch mögen. Denn ich kenne die Kinder und wenn sie die Schuhe nicht mögen, leben diese definitiv nicht lange. Wenn sie sie jedoch mögen, dann besteht eine große Chance, dass sie sie hegen und pflegen. Also musste Gogo noch weitere zwei Male kommen und mit den letzten Kindern – mit den wählerischsten - bin ich dann nochmal in den Laden gegangen, damit sie wirklich nochmal einen Blick auf alle Schuhe werfen konnten.
Doch die Schuhe mussten natürlich erst bezahlt werden, bevor die Kinder sie haben konnten. Also musste Jabu sie immer wieder mit zurück nehmen oder wir mussten sie im Laden lassen, nachdem alle Kinder ihr Lieblingsmodell ausgewählt hatten. Manche waren dabei ganz schüchtern, doch an dem Glänzen in ihren Augen konnte man sehen, wie begeistert sie von den Schuhen waren. Manche sind durch die Gegend gerannt und haben gesungen und getanzt. Manche haben angefangen zu kreischen, als sie ihren Traumschuh sahen. Und natürlich waren wieder manche viel zu cool, um zu zeigen, wie sehr sie sich freuten.
Als dann alle Schuhe gewählt waren ging es ans Bezahlen und das war komplizierter als gedacht. Also mussten die Kinder noch ein bisschen auf ihre Schuhe warten und jeden Tag hat mich mindestens ein Kind gefragt, wann die Schuhe denn endlich „zurück“ kommen würden.
Heute ist Jabu gekommen und hat die lang ersehnte Lieferung gebracht. Ich habe es zunächst nicht mitbekommen, da ich in meinem Häuschen saß und zu Mittag gegessen habe. Doch als ich hörte, wie die Mädchen anfingen zu kreischen wusste ich: das muss wegen der Schuhe sein. Glücklich haben die Kinder ihre Schuhe angenommen, doch sie haben sie nicht direkt angezogen. Erst wollten sie ihre Füße waschen.
Sobald es dann Winter wird, also im Mai oder Juni, wird jedes der Kinder ein Paar warme Winterschuhe haben. Noch laufen sie teilweise barfuß herum. Doch das ist erstens nicht so ungewöhnlich hier in Südafrika – überall sieht man Kinder ohne Schuhe. Ob in Supermärkten, an Tankstellen oder in Restaurants. Und zweitens ist das bei dem Wetter auch verständlich. Hier sind es momentan locker mal 42° und dabei ist es unglaublich schwül. Man muss keinen Schritt tun und schon steht man in seinem eigenen Schweiß. Das Arbeiten fällt einem da wirklich schwer.
Allerdings haben wir auch fast jeden Abend einen blutigen Zeh zu verarzten oder einen Splitter zu ziehen. Das bleibt uns und den Kindern dann hoffentlich im Winter erspart. Denn dann haben sie ja etwas, womit sie sich schützen können: Schuhe.

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