Freitag, 20. November 2009

Novemberbericht




Andere Länder, andere Sitten

„Kijima, kijima!“ schreit eines der 40 Heimkinder, was so viel heißt wie „renn, renn!“. Ich wollte mich gerade hinsetzen, um den Bericht für die Zeitung zu schreiben. Doch dann springe ich sofort auf um zu sehen, warum es so eine Aufregung gibt. Ich schaue aus dem Fenster meines „Freiwilligenhäuschens“ und sehe, wie Issa von einem Jungen mit einem Wassereimer in der Hand gejagt wird. Ich lache, denn ich weiß sofort, worum es geht. Heute ist Issa´s Geburtstag und es ist Tradition, dass das Geburtstagskind an seinem Ehrentag ordentlich nass gemacht wird. Das will ich mir nicht entgehen lassen und stürze aus dem Haus um hinter Issa her zu rennen. Ich fange ihn und er kriegt eine ordentliche Ladung Wasser ab. Er hat Glück, dass es nur Wasser ist. Ich habe diese Tradition an meinem Geburtstag auch zu spüren bekommen, allerdings mit einem Eimer voll Schlamm und bis dahin wusste ich noch nicht, dass man sich an seinem Geburtstag in Acht nehmen muss, war also völlig unvorbereitet.
So feiern die Kinder hier in Südafrika ihre Geburtstage und bei der Hitze ist es wirklich sehr erfrischend.
Auch bei der Hochzeit wird man von Traditionen nicht verschont. Der Bräutigam hat es besonders schwer. Will er seiner Braut eine Rede halten, stellen sich seine besten Freunde vor ihm auf und erschweren ihm den ohnehin schon aufregenden Auftritt. Sie wiederholen seine Worte in lustigen Stimmen, bewerfen ihn mit Papierfliegern, lachen in ernsten Momenten und schweigen bei Witzen. Für den Bräutigam eine wahre Prüfung, für die Gäste und die Braut ein heiden Spaß.
Insgesamt ist das südafrikanische ein ganz fröhliches, aufgeschlossenes und unbeschreiblich gastfreundliches Volk. Man grüßt sich grundsätzlich, ob man sich kennt, oder nicht. Man fängt ein Gespräch immer an, indem man sich nach dem Wohlergehen erkundet und man spricht sich mit „sisi“ („Schwester“) oder „buthi“ („Bruder“) an. Ich bekomme eine Einladung nach der anderen, ob es zum Essen, zur Internetbenutzung, zum Duschen oder sogar zum Schlafen ist.
Das kann ich nach etwa drei Monaten Aufenthalt in Südafrika über die Südafrikaner sagen. Was ich allerdings in dieser Zeit über die Deutschen erfahren habe war etwas ganz Anderes, für mich jedoch leider nicht ganz neu.
Die Deutschen tragen Socken in Sandalen. Die Deutschen haben komische Frisuren. Die Deutschen tragen immer Sportsachen. Die Deutschen rasieren sich nicht. Die Deutschen sind unfreundlich, arrogant und alles andere als gastfreundlich. Die Vorurteile reichen also bis in den südlichsten Süden von Afrika. Schade.
Doch nachdem ich all das gehört hatte, habe ich mich dann doch nochmal genauer umgehört und mit einem jungen Mann geredet, der englisch, deutsch, afrikaans, siswati, zulu und ein bisschen niederländisch spricht. Er hat regelrecht von der deutschen Sprache geschwärmt und mich darauf aufmerksam gemacht, wie schön sie doch ist. Sie klingt vielleicht nicht schön, wie es mir die Kinder hier im Heim mir immer wieder bewusst machen, wenn sie Laura, meine Weggefährtin für dieses Jahr, und mich nachmachen. Immitieren sie die deutsche Sprache verziehen sie das Gesicht und drücken ein „Chikrichastichuzu“ heraus, was sich tatsächlich sehr aggressiv anhört.
Doch hat die deutsche Sprache eine harte Schale, so hat sie doch einen sehr weichen Kern. Schaut man nämlich genau hin sind unsere Wörter sehr liebevoll zusammengestellt. So ist zum Beispiel ein „Fernseher“ ein Gerät, mit dem man in die Ferne sehen kann. „Beglückwünscht“ man jemanden, so wünscht man ihm Glück. Eine „Hochzeit“ ist eine wichtige, hohe Zeit und auf einem „Fiedhof“ findet man Frieden.
Kennt man also diese Worte nicht in der jeweiligen Zusammensetzung kann man sich dennoch gleich ein Bild machen, von dem, was man hört. Ganz im Gegenteil zu einem „Sandwich“, bei dem es sich keineswegs um Sand handelt oder einem „Hotdog“, der mit heißen Hunden hoffentlich nicht viel zutun hat.
In dem Sinne sage ich jetzt „hamba kahle“, was so viel heiß wie „geh gut“ und gehe davon aus, dass Sie wissen, was gemeint ist.

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